Beim zirkulären Bauen stehen nicht nur recycelte Materialien oder eine besonders nachhaltige Bauweise im Vordergrund, sondern zunächst einmal die Frage ob man überhaupt (neu) bauen muss und wenn ja, was. Im Fall des CRCLR Hauses Neukölln drängt sich diese Frage unmittelbar auf, denn nicht wenige Bauherren hätten die alte Lagerhalle auf dem ehemaligen KINDL-Areal einfach abgerissen.
Als erstes Statement zum sorgfältigen Umgang mit vorhandenen Ressourcen lassen wir diese also stehen. Erhalten, was einst gebaut wurde und ergänzen behutsam um das, was für die zukünftige Nutzung in einem CRCLR Haus notwendig und sinnvoll ist. Der sorgfältige Umgang mit Ressourcen ließe sich demnach auch auf innerstädtischen Raum übertragen: Wohnraum in Neukölln wird immer knapper, also nutzen wir die Möglichkeiten, die der Bebauungsplan uns lässt und stocken die Halle um 2,5 Geschosse Wohnungen auf.
Ein weiterer Aspekt ist das Weiterverwenden einzelner Bauteile wie Ziegel, Stahl oder auch Fenster. Beim Wiederverwenden von bereits vorhandenen Materialien muss sichergestellt werden, dass diese an ihrem Ursprungsort so abgebaut wurden, dass sie überhaupt weiterverwendet werden können. Oft stößt man hier bereits auf Grenzen: Mörtel in einer linearen Wirtschaft ist beispielsweise derart optimiert, dass er härter als Ziegel ist. Wir müssen im zirkulären Bauen also umdenken und kreativ werden. Anstatt einzelne Ziegel aufzubereiten, erprobt beispielsweise das dänische Architekturbüro Lendager, ganze Wandelemente aus alten Häusern zu schneiden um diese dann anderswo zu neuen Fassaden zusammen zu fügen.
Im CRCLR Haus Neukölln lernen wir aus solchen Beispielen und übertragen sie auf die Art und Weise, wie wir selbst zukünftige Wieder- und Weiterverwendung ermöglichen wollen. Uns treibt dabei die Idee an, ein Haus zu bauen, das für seine Bewohner und Nutzerinnen immer aktuell ist: Weil sie es umbauen und “um-nutzen” können, weil es mit ihnen wachsen und schrumpfen und auf wechselnde Lebensphasen und Bedürfnisse reagieren kann. Durchaus eine komplexe Herausforderung bei einem so starren Objekt wie einem gebauten Haus! Doch wir stellen uns dieser Aufgabe und sind offen für Experimente.
Wie können die Bedürfnisse zukünftiger Bewohner*innen antizipiert werden? Vielleicht, indem wir weniger vorgeben. Mehr Raum für die eigene Ausgestaltung lassen, indem wir Räume modular und Wände verschiebbar gestalten und indem wir Dinge nicht verkleben, sondern reversible Verbindungen bevorzugen, die den Menschen ermöglichen, im Prozess zu wohnen, zu arbeiten und Räume mit Leben zu füllen.
Zirkulär zu bauen heißt für uns, diesen Prozess zu ermöglichen: Durch den Einsatz biologisch abbaubarer Materialien, die Verwendung von Steck- und Schraubverbindungen, das Offenlassen von Möglichkeitsräumen. Wir selbst befinden uns im Prozess zu verstehen, was zirkuläres Bauen noch alles sein könnte. In Gesprächen merken wir immer wieder, dass dies im Zweifel für jedes Bauteil anders sein kann und wird: Woher kommt das Material, wohin kann es gehen? Ist es bezahlbar – für wen und in welchem Zeithorizont? Wir sind sehr gespannt auf das weitere Erforschen und Verdichten, insbesondere im Rahmen des großen Um- und Ausbauprozesses des CRCLR Neukölln.